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Schwimmstar auf Spurensuche in Kablow: Wiege des Fernsehens?

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Autorin
Renate Wullstein
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Titanic im Krüpelsee

Stand: Dezember 2022

In Königs Wusterhausen wurde der Rundfunk „erfunden“. Und in Kablow? Hier steht die Wiege des Fernsehens!

Dies hat Renate Wullstein herausgefunden. „1926 verblüffte die Firma ‚Loewe‘ auf der Funkausstellung in Berlin die Welt mit dem Prototyp eines Fernsehers. Dieser war von Siegmund Loewe und Manfred von Ardenne entwickelt worden. 1933 stellten sie das erste serienreife Gerät vor“, erklärt die „selbsternannte“ Ortschronistin von Kablow.
„Die Brüder Siegmund und David Ludwig Loewe hatten in Kablow ihren Sommersitz. 1964 wurde dieses Haus in einen Kindergarten umgewandelt. Es befindet sich in der Fontanestraße, die damals Goethestraße hieß“, berichtet Renate Wullstein weiter.

Kinohits
Sie hat beim Graben in der Historie noch mehr an Sensationen herausgefunden. Dazu gehört, dass Schauspieler Hans Peter Hallwachs hier für einige Zeit die Schulbank „drückte“. Er ist aus Spielfilmen wie „Mord und Totschlag“ mit Anita Pallenberg bekannt, die wiederum als „Muse“ von Mick Jagger von sich reden machte. Er war außerdem unter anderem in „Der Stoff, aus dem die Träume sind“, „Der Sommer des Samurai“ und in Kinohits wie „Otto – Der Außerfriesische“ mit Otto Waalkes oder „Didi auf vollen Touren“ mit Dieter Hallervorden zu sehen. Zudem spielte er in TV-Produktionen wie „Der große Bellheim“.

Titanic im Krüpelsee
Dabei hatte Kablow schon viel früher Filmgeschichte geschrieben: So wurde der Krüpelsee Schauplatz für eine Verfilmung des Untergangs der Titanic. Gedreht wurde noch im selben Jahr der Schiffskatastrophe, bei der 1912 über 1 500 Personen ums Leben kamen. „Der Film war mit 35 Minuten für die damalige Zeit sehr lang und teilweise koloriert“, hat die Kablowerin herausgefunden.

Intime Einblicke
In ihrem Buch „Chronik und Geschichten“ spiegelt sie auf gut lesbare Weise viele Details aus dem heutigen Ortsteil von Königs Wusterhausen wider. Dabei kommt die NS-Zeit, über die sonst gerne ein Mantel des Schweigens gehängt wird, ebenso zur Sprache, wie die DDR-Ära und die Epoche danach. Schön ist, dass sämtliche Personen mit vollem Namen genannt werden, was sich ja heute kaum mehr jemand traut. So erfährt man beispielsweise, dass im „Entwicklungskollektiv“ für das von den Bewohnern ungeliebte Tanklager Kurt Stoph aktiv war. Sein Bruder Willi Stoph war Vorsitzender des Ministerrats sowie des Staatsrats der DDR. Kurt Stoph hingegen fungierte als Gründungsmitglied des DDR-Fußballverbands. Er leitete diesen von 1958 bis 1961. In dem Band kommt Martin Meinert als langjähriger Ortsvorsteher von Kablow ebenfalls mit persönlichen Einblicken zu Wort.

Schwimmen in Nordkorea
Renate Wullstein ist mit Kablow seit 1965 verbunden. „Damals kauften meine Eltern hier eine Datsche“, blickt sie zurück. Darin hat sie jetzt ihren eigenen, mit gerade mal zwei Zimmern sehr bescheidenen Wohnsitz. Die Geschichtenschreiberin von Kablow kann selbst auf eine Biografie verweisen, die viele Geschichten beinhaltet. Ihre erste Karriere startete sie ausgerechnet von Nordkorea aus. Dort vertrat ihr Vater Hans-Albrecht Wullstein die Interessen der DDR. Mutter Marie-Louise Wullstein unterrichtete als Lehrerin an der Botschaftsschule. „Wir hatten einen Pool im Garten, wo ich mir Schwimmen beibrachte“, erzählt sie.

Für Olympia nominiert
Zurück in Ostdeutschland konnte sie ihr Talent weiterentwickeln. „Ich war DDR-Meisterin und schaffte es in den Kader für die Olympischen Spiele 1968 in Mexiko. Vorher waren wir DDR-Schwimmerinnen bei einem Wettbewerb in Schweden.
Das erste Mal im Westen, das war ein totaler Kulturschock. Weil wir wenig Geld hatten, ließen wir das eine oder andere mitgehen. Zurück in der DDR wollte man ein Exempel statuieren. Das bedeutete: Karriereende von einem Tag auf den anderen. Für eine 16-Jährige war das ein einschneidendes Erlebnis, an dem ich immer noch kaue.“ Es folgte ein Sportstudium, das ebenfalls anders als gedacht endete: „Als ich fertig war, bekamen wir mit, dass sogar nicht volljährige Athleten systematisch gedopt wurden. Das wollte ich nicht mittragen. Also verabschiedete ich mich vom Elitesport.“

Schwimmerin als Autorin
Sie wurde als Kreisschwimmlehrerin ins abgelegene Burg in Sachsen-Anhalt „delegiert“. Allerdings stieß sie dort auf wenig Gegenliebe: „Die hatten gar keine sinnvolle Schwimmhalle und gaben mir gleich zu verstehen, dass ich überflüssig bin.“
Zum Glück hatte sie sich schon vorher ein „Hintertürchen“ geöffnet. „Ich habe Kurzgeschichten geschrieben. Mit diesen konnte ich den Verlag ‚Neues Leben‘ überzeugen. Damals hatte mich Krimiautor Helfried Schreiter dort eingeführt“, gibt sie weiteren Einblick. Schreiter hatte sich nach der Wende mit Zeitungen wie „Das Blatt“ oder „Super-Ossi“ versucht, allerdings erfolglos.

Heiße Liebe
Der Verlag stattete die angehende Autorin mit einem großzügigen Vertrag inklusive Monatspauschale aus.
„Dies half mir, mich nach einem Jahr in Burg als Freischaffende selbstständig zu machen.“
Allerdings beendete die Liebe die angehende Schriftstellerkarriere: „Es war Sommer, es war heiß. Ich bin in Berlin in ein Café gegangen, das natürlich überfüllt war. Da rief jemand: ‚Hier ist noch ein Platz.‘ Das war mein Schicksal.“
Sie traf auf den Theatermaler Wolfgang Schwarz. „Der war eine tolle Erscheinung. Er saß da, mit seiner Pfeife, ich war hin und weg.“ Schwarz arbeitete für die Staatsoper, was ihn nicht davon abhielt, sich kritisch über den Einmarsch der Warschauer Pakt-Staaten in die ČSSR zu äußern.

Berufsverbot
„Das Ergebnis war ein Berufs- und Arbeitsverbot. Wir stellten einen Ausreiseantrag. Dabei wurde mir erklärt, dass Schwarz ausreisen könne, ich aber niemals, da mein Vater Geheimnisträger ist.“ Der Vertrag mit dem renommierten Verlag wurde von diesem ebenfalls gekündigt. Schließlich gab er unter anderem die Zeitung „Junge Welt“ heraus. Diese war das Sprachrohr der staatlich gesteuerten „Freien Deutschen Jugend“, kurz „FDJ“. Sein weiterer Schwerpunkt war Belletristik.
Das verliebte Paar fand einen ungewöhnlichen Ausweg: „Wir trafen auf einen Bekannten mit einem Brennofen. Also hatten wir die Idee, Keramik herzustellen. Damals waren Setzkästen groß in Mode. Dafür machten wir kleine Figuren, die uns förmlich aus den Händen gerissen wurden. Wir verdienten unvorstellbare vierstellige Summen!“

Mutige Schreiberin
Ihr Erstlingswerk „Hotelnacht“, das bereits zur Veröffentlichung in der DDR vorgesehen war, konnte endlich nach der Wende erscheinen. Es folgten fast ein Dutzend weitere Bücher. „Damals im Café Heider“ erwies sich als besonders populär. Es beschreibt die Potsdamer Szene, die sich dort traf. Die Bücher von Renate Wullstein drehen sich wie dieses vielfach um lebende Personen, die exakt mit Namen und vielfach Biografie benannt werden.
„Manche, die das damals gut fanden, sind heute, wo sie etabliert sind, gar nicht mehr glücklich damit“, schildert sie die Brisanz.

Bücherwagen und Konsum
Übrigens kann man die Bücher von ihr teilweise sogar kostenlos lesen, denn sie werden im für jeden frei zugänglichen Bücherwagen auf ihrem Grundstück Am Krüpelsee 25 ausgelegt. Dabei träumt die Kablowerin bereits vom nächsten Schritt: „Ich möchte gerne den Dorfkonsum weiterführen und ihn um Bücher, Kunst und einen An- und Verkauf erweitern.“ Da gibt es dann sicher viel zu erzählen, was in weitere Kurzgeschichten einfließen kann!

Erstellt: 2022